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DAV - Depesche

DAV-Depesche Nr. 38/15

Themen u. a. Workshop Flüchtlingssituation, Justizpressekonferenz, BVerfG erweitert Strafverteiigerprivileg, Verfahrensrichtlinie, DAV/Aija Jahreskongress

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Pressemitteilungen des DAV

PM 39/15: DAV-Expertenworkshop zur Flüchtlingssituation: Optimierung der rechtlichen Rahmenbedingungen geboten

Berlin (DAV). Die Erstunterbringung und Erstversorgung der Flüchtlinge stellt Deutschland vor große Herausforderungen. Nach Ansicht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) ist es daher geboten, die rechtlichen Rahmenbedingungen teilweise, kurzfristig und gelegentlich auch befristet zu verändern, um dieser Aufgabe gerecht zu werden. Deshalb hat ein DAV-Expertenworkshop stattgefunden, bei dem Experten auch über die Anwaltschaft hinaus den Handlungsbedarf der Politik festgestellt haben. Dabei geht es um die Veränderung oder die bessere Nutzung der rechtlichen Rahmenbedingungen, um schnell tragbare Lösungen zu finden. Wichtig war es dem DAV, die Praktiker aus der Anwaltschaft ebenso an einen Tisch zu bringen wie Vertreter der Verwaltung, der Landkreise, der Kirchen usw. Da zu erwarten ist, dass viele Asylanträge anerkannt werden, müssen auch Fragen der dauerhaften Versorgung, Unterstützung und Integration gestellt werden.

„Es gibt Situationen, in denen sich das Recht eher als Hürde denn als Lösung von Problemen erweist“, erläutert Rechtsanwalt Ulrich Schellenberg, DAV-Präsident, die Aufgabenstellung. Es gehe aber um eine gesellschaftspolitische Aufgabe, deren Bewältigung auch eine Perspektive aufzeigen müsse. „Flüchtlinge sind Menschen, die auf der Suche nach Schutz und Recht sind“, so Schellenberg weiter. Daher sei es wichtig, dass der Handlungsbedarf schnell ermittelt und Politik und Verwaltungen bei ihrer Aufgabe unterstützt werden. „Es geht darum, die Situation der Flüchtlinge zu verbessern und die Gesellschaft und Verwaltung bei dieser Aufgabe zu unterstützen“, so Schellenberg weiter.

Die Ergebnisse verschiedener Workshops zeigen Handlungsbedarf im Ausländer- und Asylrecht, dem Medizinrecht und dem Sozialrecht auf. Ebenso beim Haushaltsverfassungsrecht sowie im Vergaberecht und dem Verwaltungsrecht. Letzteres gilt insbesondere für das Öffentliche Baurecht.

Im DAV-Expertenworkshop sind aber auch die aktuellen Pläne des Gesetzgebers mit eingeflossen.

Die wesentlichen Ergebnisse der einzelnen Workshops:

Beschleunigung des Asylverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens

- Die Asylverfahren können beschleunigt werden, aber nicht auf Kosten des Rechtsstaates.

Es darf nicht zu einer Beschleunigung um jeden Preis kommen, nämlich dem der Rechte eines Antragstellers auf ein faires Verfahren. Es bedarf daher der Aufstockung des Personals.

- Begründete Anträge und Anträge von unbegleiteten Minderjährigen sind vorzuziehen. Schriftliche Verfahren bei voraussichtlich begründeten Anträgen sollen ermöglicht werden.

- Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens

Schon jetzt muss aber auch über die Beschleunigung der gerichtlichen Verfahren nachgedacht werden. Auch hier bedarf es der Aufstockung des Personals durch besonders Qualifizierte.

- Legale Fluchtwege schaffen

Beschleunigung und Erleichterung der Familienzuführung bei Krisenstaaten (Syrien, Eritrea, Irak etc.). Einleitung des Verfahrens schon bei schriftlicher Antragstellung in entsprechenden Dokumenten. Die Familienzusammenführung bei Krisenstaatlern muss beschleunigt und erleichtert werden.

- Dublin

Das Dublin-System sollte abgeschafft werden und eine ausschließlich finanzielle Entlastung des Aufnahmestaates durch Mittel der EU erwogen werden.

Bis zur Etablierung dieses sogenannten Optionsmodells ist es notwendig, eine Einführung von Höchstfristen hinsichtlich der Rückführung der Asylbewerber in das Antragsland einzuführen. Nach Ablauf der Höchstfrist (18 Monate ab Antragstellung) soll die Rückführung abgebrochen werden.

- Keine weitere Einschränkung der Leistungen

Auch die aktuelle Notlage darf nicht dazu verführen, den Bereich der Leistung zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums weiter einzuschränken. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Barbetrag, Verweis auf Sachleistungen und Leistungskürzung.

- Der geplante Aufenthalt in einer Erstaufnahmeeinrichtung für sechs Monate steht dem Ziel einer schnellen Integration entgegen und schafft Folgeprobleme.

- Es muss eine erleichterte Unterbringung im privaten Wohnraum geben. Insbesondere bei der Aufnahme bei Verwandten und angemessener Wohnungsgröße.

Arbeitsmigration

- Nach Ansicht der Experten müssen die Flüchtlinge einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang bereits nach drei Monaten erhalten. Trotz Verkürzung des Arbeitsverbotes auf drei Monate im November 2014 gilt für Flüchtlinge weiterhin grundsätzlich ein nachrangiger Arbeitsmarktzugang. Erst nach 48-monatiger Verfahrensdauer stehen Asylbewerber dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung. Bis dahin ist für jeden Einzelfall eine Beschäftigungserlaubnis zu beantragen. Nach drei Monaten führt die erforderliche Vorrangprüfung zu einem mindestens 15-monatigen faktischen Ausschluss einer Mehrzahl der Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt. Daher ist es notwendig, die Arbeitsmarktprüfung (Vorrangprüfung und Prüfung der Beschäftigungsbedingungen) abzuschaffen.

Der schnelle uneingeschränkte Zugang zum Arbeitsmarkt sorgt für eine bessere Integration der Betroffenen und entlastet die öffentlichen Haushalte.

- Asylverfahren vermeiden durch direkte Aufnahme von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt.

- Auch muss eine direkte unmittelbare Aufnahme von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt durch einen sogenannten Spurwechsel möglich sein. Flüchtlinge müssen dann einen echten Aufenthaltstitel bekommen, wenn sie in Deutschland ausgebildet werden oder studieren. Einen unmittelbaren Zugang zum Arbeitsmarkt sollten Flüchtlinge dann erhalten, wenn ihnen ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt. Dadurch könnte auch gewährleistet werden, dass diese Personen dann aus dem Asylverfahren herausgenommen werden, was zu einer wesentlichen Entlastung des Asylverfahrens führt.

- Ergänzende Maßnahmen zur schnellen Integration von Flüchtlingen müssen gewährleistet werden durch eine schnelle Sprachförderung und die systematische Erfassung der Qualifikationen der Flüchtlinge. Schon in den ersten drei Monaten soll geprüft werden, ob die ausländischen Abschlüsse der Flüchtlinge anerkannt werden können. Diesen müsste eine intensive Unterstützung im unbürokratischen Verfahren zuteilwerden. Für Flüchtlinge ist das Anerkennungsverfahren bisher eher undurchschaubar. Neben der ausführlichen Information der potenziellen Arbeitgeber wollen Flüchtlinge auch leichter die Möglichkeit haben, sich überregional zu bewerben, um dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.

- Aus sozialrechtlicher Sicht ist es wünschenswert, Flüchtlingen eine Arbeitsgelegenheit anzubieten. Zu prüfen wäre, ob man den „Ein-Euro-Job“ neu gestaltet, z. B. im Sinne einer einige Monate befristeten Patenschaft. Patenschaft zwischen einem Erwerbstätigen (z. B. Bauarbeiten, Pflegekraft, Verwaltungsangestellter, gewerblicher Mitarbeiter, Arzt, Sanitäter, Putzhilfe etc.) und einem Leistungsträger, durch den sie sich in ihrer Arbeit nicht nur begleiten, sondern auch unterstützten lassen. Je nach Kenntnis, Leistungsvermögen usw.

Sozialrecht

- Der Schutz der ehrenamtlich Tätigen in der gesetzlichen Unfallversicherung ist sicherzustellen.

Ehrenamtliches Engagement kann gefährlich sein. Die Ehrenamtler nehmen am Straßenverkehr teil, um zu den Einrichtungen usw. zu gelangen. Die gesetzliche Unfallversicherung gewährt Leistung auch für Verunfallte, die etwa bei einem Wegeunfall zu Schaden kommen. Aber auch andere gefährliche Situationen sind denkbar.

Das Land Niedersachsen zahlt für solche Ehrenamtler freiwillige Beiträge in die gesetzliche Unfallversicherung. In Schleswig-Holstein werden Privatpersonen als Ehrenamtler seitens der Gemeinde gelistet, sodass man insoweit einen Unfallversicherungsschutz annehmen kann.

Es muss eine Regelung geschaffen werden, die sicherstellt, dass alle ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe Tätigen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert sind.

- Würdigung in der Rentenversicherung

Ehrenamtlich Tätige sollen, ähnlich wie Pflegepersonen, die Angehörige pflegen, in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert sein, wenn sie im zeitlichen Umfang von wenigstens 14 Stunden ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe tätig sind, aber regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig sind.

Das lässt sich leicht durch eine Ergänzung des § 3 SGB VI lösen, indem der Kreis der „sogenannten versicherungspflichtigen Personen“ erweitert wird. Dies wäre – auch wenn es sich nur um geringe Ansprüche handeln wird – ein wichtiges Signal zur Unterstützung der ehrenamtlich Engagierten.

Maßnahmen im Medizinrecht

- Kenntnisprüfung bei ärztlicher Versorgung notwendig – eidesstattliche Versicherung reicht nicht

Die aktuellen Pläne sehen vor, dass die Abgabe einer Versicherung an Eides statt zum Nachweis einer ärztlichen Ausbildung ausreicht. Die DAV-Experten empfehlen, dass diese Pläne um eine Kenntnisprüfung erweitert werden.

Es kann unterstellt werden, dass insbesondere in großen Aufnahmeeinrichtungen nicht genügend Ärzte zur Versorgung der Asylbewerber zur Verfügung stehen. Hier auch Asylbewerbenden selbst die Möglichkeit einer Heilkundeausübung zu gewähren, erscheint grundsätzlich sinnvoll. Allerdings verlangen die bisherigen Regelungen insbesondere den Nachweis einer ärztlichen Ausbildung. Dieser wird für viele möglicherweise zur Versorgung geeigneter Asylbegehrenden kaum zu führen sein. Die geplante erleichterte Erteilung unter Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung kann hier ein Weg sein. Es birgt aber erhebliche Haftungsrisiken, insbesondere für die Antragsteller selbst und für diese ggf. beaufsichtigenden Ärzte. Daher ist eine Kenntnisstandprüfung notwendig und sollte eingeführt werden.

- Psychotherapeutische Behandlung für Asylbewerber muss auch in den ersten 15 Monaten rechtssicher gewähreistet werden.

Momentan haben Asylbewerber lediglich in den ersten 15 Monaten Anspruch auf Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen. In der Entscheidungspraxis stellt dies ein erhebliches Hindernis für die Gewährung von psychotherapeutischen Behandlungen dar. Lt. Veröffentlichen bekommen lediglich etwa 4% der Flüchtlinge die erforderliche psychotherapeutische Versorgung. Dies verwundert, da zahlreiche Flüchtlinge aufgrund der Erlebnisse in ihrer Heimat und auf der Flucht traumatisiert sind.

- Dolmetscherkosten sind zu tragen

Sowohl bei der psychotherapeutischen als auch bei der medizinischen Versorgung bedarf es eines ausdrücklichen Anspruchs auf muttersprachliche Behandlung, jedenfalls aber auf die zur Verfügung Stellung und/oder Finanzierung qualifizierter Dolmetscher. Sprachbarrieren gefährden eine sachgerechte Behandlung schon bei der Aufnahme des Befundes. Bei psychotherapeutischen Maßnahmen machen sie diese völlig unmöglich. Für die Behandler bergen sie zudem unzumutbar hohe Haftungsrisiken. Ohne sprachliches Verständnis ist auch eine Einwilligung der Behandelnden nicht möglich.

- Um die Ansprüche auch durchzusetzen, muss eine hinreichende Anzahl qualifizierter Behandler zur Verfügung stehen. Deshalb darf die Versorgung nicht auf die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte/Psychotherapeuten beschränkt sein.

- Keine Sozialversicherungspflicht von „Honorarärzten“

Die Tätigkeit von „Honorarärzten“ bei der Versorgung von Flüchtlingen und in den Aufnahmeeinrichtungen darf nicht dazu führen, dass die Träger, die diese Einrichtungen unterhalten, zur Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werden. Bei der Tätigkeit der „Honorarärzte“ handelt es sich regelmäßig um eine freie Tätigkeit. Dies müsste klargestellt werden.

Vergaberecht

- Vergaberechtliches Instrumentarium ausschöpfen

Beschaffungen für den Bedarf von Flüchtlingen müssen im Wettbewerb unter Berücksichtigung des Transparenzgrundsatzes und des Diskriminierungsverbotes erfolgen. Auf diese darf nicht vollständig verzichtet werden. Es müssen aber alle Spielräume genutzt werden, die das geltende Vergaberecht bietet.

- Sinnvolle Gestaltung der Ausschreibungsverfahren und Flexibilität

Wenn der Beschaffungsbedarf grundsätzlich bekannt ist, kann darüber schon informiert werden, auch wenn der Zeitpunkt der Beschaffung noch unsicher ist. Dies erleichtert den Unternehmen die Teilhabe an dem beschleunigten Verfahren. Auch können Rahmenvereinbarungen getroffen werden, in denen die Bedingungen für Einzelaufträge festgelegt werden. Dabei muss der mengenmäßige Bedarf noch nicht konkret feststehen.

Bei der öffentlichen Vergabe könnte sich auch darauf beschränkt werden, eine funktionelle Leistungsbeschreibung, statt eine konkrete Beschaffung auszuschreiben. Funktionale Leistungsbeschreibungen beschreiben lediglich das Ziel der Beschaffung (Unterbringung mit einer Raumtemperatur von 20 Grad), nicht aber die konkrete Ausführung (Zelt, Container, Holzhaus etc.). Dadurch entsteht mehr Wettbewerb und die Anbieter haben mehr Möglichkeiten, Alternativen vorzuschlagen.

- Schaffung größtmöglicher Rechtssicherheit für die Vergabestelle

Eine zeitnahe und flexible Versorgung von Flüchtlingen durch eine zulässige Beschleunigung der Vergabeverfahren bei der Beschaffung muss sichergestellt werden.

Die öffentliche Hand muss bei der Beschaffung von Waren- oder von Bau- bzw. Dienstleistungen die öffentlichen Aufträge ausschreiben. In aller Regel durch

förmliche Verfahren mit Mindestfristen zum Schutz der teilnehmenden Unternehmen. Bei offenen Verfahren sind dies 52 Tage, bei nicht offenen Verfahren 77 Tage.

Eine deutliche Vereinfachung der Beschaffungsvorgänge lässt sich durch die Wahl des Verfahrens, wie durch eine zulässige Verkürzung von Verfahrensfristen erreichen. Die erforderliche Dringlichkeit der Vergabe ist meist gegeben und kann unterstellt werden. Bei einer zwingenden Dringlichkeit ist auch eine Direktvergabe möglich, wenn mindestens drei potenzielle Bieter angesprochen werden und die Angebote verglichen werden.

Wegen des besonderen Eilbedürfnisses gilt dies in der Regel nur für die Erstunterbringung. Eine Direktvergabe begegnet nämlich dann keinen vergaberechtlichen Bedenken, wenn ihre Laufzeit begrenzt wird und nicht den Zeitraum überschreitet, der zur Vorbereitung und Durchführung eines beschleunigten Verfahrens erforderlich ist (d.h. ca. 6 bis 12 Monate).

Baurecht/Verwaltungsrecht

Grundsätzlich darf das Asylpaket Baurecht nicht sprengen. Allerdings müssen die Genehmigungsvoraussetzungen für Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen oder Asylbegehrenden kurzfristig erleichtert werden.

- Objektiv besteht ein dringendes Bedürfnis für die Bereitstellung von Unterbringungsmöglichkeiten. Daher müssen Baugenehmigungen zur Flüchtlingsunterbringung erleichtert werden. Dies solle sich möglichst auf befristete Ausnahmeregelungen beschränken. Es darf nicht zu einer dauerhaften Sonderbehandlung von Flüchtlingsunterbringungen kommen, weil dies zu einer baurechtlichen Zweiklassengesellschaft führen könnte.

- Mehr preisgünstiger Wohnraum

Die Schaffung und Erhaltung neuen, insbesondere preisgünstigen Wohnraums allgemein darf nicht vernachlässigt werden und ist dringend zu erleichtern. Hierfür ist es notwendig, ein eigenes Reformpaket zu erarbeiten, was dann die dauerhafte Unterbringung nach dem Anerkennungsverfahren betrifft.

- Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte sollten befristet werden.

Damit nicht dauerhaft die allgemeinen und berechtigten Standards des Baurechts untergehen, muss es neben der Befristung der Baugenehmigung auch eine Befristung der jeweiligen Vorschriften geben.

- Nutzungsänderungen im Außenbereich

Nutzungsänderungen im Außenbereich zugunsten von Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften müssen zugelassen werden. Tatsächlich werden bereits Flüchtlingsunterkünfte ohne die erforderliche Baugenehmigung im Außenbereich errichtet. Das ist rechtswidrig, aber nachvollziehbar, zumal die Erarbeitung von Bebauungsplänen mindestens ein Jahr dauert.

Haushaltsverfassungsrecht

- Das bürgerschaftliche Engagement für eine humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien ist dadurch zu stärken, dass die bislang mit einem lebenslangen Risiko verbundenen privaten Bürgschaften für den Lebensunterhalt auf maximal vier Jahre begrenzt werden.

Zugunsten von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen lassen die Bundesländer einen erweiterten Familiennachzug zu, sofern die hier lebenden Verwandten oder Dritte den Lebensunterhalt nach Maßgabe einer Verpflichtungserklärung privat tragen. Diese humanitären Aufnahmeprogramme sind der unkontrollierten Flucht über das Mittelmeer und die „Balkanroute“ grundsätzlich vorzuziehen. Sie ermöglichen eine sichere Rettung der Hilfebedürftigen und eine weitgehend haushaltsneutrale Integration in den hiesigen Wohnungs- und Arbeitsmarkt. Der Bund macht die Erteilung seines erforderlichen Einvernehmens (§ 23 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz) davon abhängig, dass entweder zeitlich unbefristete Verpflichtungserklärungen vorliegen oder die Länder sich zur Übernahme sämtlicher Kosten – und damit auch derjenigen von Aufgaben des Bundes – verpflichten. Das Verlangen nach unbefristeten Verpflichtungserklärungen hält viele Menschen von deren Abgabe ab.

Da die finanziellen Mittel der Länder begrenzt sind, kann von diesen nicht verlangt werden, haushalterische Vorsorge für die von ihnen auferlegten Aufnahmeprogramme zugunsten syrischer Bürgerkriegsflüchtlinge zu treffen. Das Finanzverfassungsrecht bietet hierfür keine Grundlage. Daher ist es auch erforderlich, um keine unnötig hohe Barriere aufzubauen, die Verpflichtungserklärung gesetzlich auf maximal vier Jahre zu befristen.

- Die Bereitschaft der Gemeinden muss gefördert werden, Einrichtungen zur Unterbringung von Flüchtlingen in einem Umfang zu schaffen, der das anteilig von ihnen zu erbringende Maß überschreitet. Dafür muss der Bund finanzielle Zuwendungen vorsehen.

Die Handlungsmöglichkeiten der Kommunen – insbesondere zu überobligatorischen Leistungen – sind durch deren desaströse Haushaltssituation stark eingeschränkt. Hier könnten finanzielle Anreize seitens des Bundes geschaffen werden, besondere und insbesondere überobligatorische Anstrengungen im Bereich der Flüchtlingshilfe zu unternehmen.

Die gesamten Thesen des DAV-Expertenworkshops finden Sie hier.

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Pressemitteilungen des DAV

PM 38/15: DAV: Grundrecht auf Asyl nicht disponibel

Berlin (DAV). Mit äußerstem Befremden hat der Deutsche Anwaltverein (DAV) die in einem Interview geäußerten Vorstellungen des Bundesinnenministers zur Kenntnis genommen, politisch Verfolgten nur in einem begrenzten Umfang in Deutschland Asyl zu gewähren und sie ggf. sogar in ihre Heimatregion zurückzuschicken. Das Grundrecht auf Asyl genießt Verfassungsrang. Es kann nicht relativiert werden.

„Eine schleichende Grundgesetzänderung durch europäische Regelungen lehnen wir entschieden ab“, so Rechtsanwalt Ulrich Schellenberg, Präsident des DAV. Nachvollziehbar wäre eine europäische Regelung über die Verteilung der Lasten in der aktuellen Flüchtlingssituation. Dies dürfe aber nicht dazu führen, das verfassungsrechtlich gewährte Asylrecht aufzuweichen. „Wir erwarten von einem Verfassungsminister, das Grundgesetz zu verteidigen, so Schellenberg weiter.

Würde man diese Überlegungen auf andere Bereiche übertragen, könnte man daran denken, den Zugang zu Gerichten zu kontingentieren. Die ersten 1.000 Klagen würden zugelassen, der Rest müsste sein Problem privat lösen. Einen solchen Vorschlag würde in Deutschland selbstverständlich niemand unterbreiten, so der DAV.

Am Mittwoch, dem 23. September 2015 findet ein DAV-Expertenworkshop statt, bei dem Vertreter der Anwaltschaft, der Ministerien und anderer Organisationen Lösungen erarbeiten, um rechtliche Hindernisse bei der Versorgung und Unterbringung Geflüchteter zu beseitigen. Die Präsentation der Ergebnisse findet am 23. September 2015 von 14.30 Uhr bis 15.30 Uhr im DAV-Haus statt. Weitere Infos finden Sie hier.

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Europa im Überblick - DAV

Europa im Überblick, 29/15

Die aktuellen EU-Informationen des DAV, heute u.a. mit den Themen: Vorratsdatenspeicherung vs. Dienstleistungsfreiheit, Konsultation zur Mediationsrichtlinie, Gerichtsgebühren am Einheitlichen Patentgericht, Vorschläge für ein internationales Investitionsgericht

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DAV - Depesche

DAV-Depesche Nr. 37/15

Themen: rechtliche Rahmenbedingungen für die Flüchtlingshilfe, Resolution zur Flüchtlingshilfe, Schlichtungsstelle, Syndikusanwälte, Gutachten im Familienrecht, Anwaltsblatt Karriere

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Pressemitteilungen des DAV

Nr. 52/15: Alleinreisende Kinder – Eltern entscheiden

Berlin (DAV). Der Vater wohnt in Berlin, die Mutter in London und die Oma in Bielefeld: Je verstreuter Familien leben, desto häufiger wollen oder müssen Kinder alleine reisen, um ihre Verwandten zu besuchen. Ab wann sie das dürfen, hängt hauptsächlich von der Einschätzung der Eltern und den Bestimmungen der Transportunternehmen ab. Besonderheiten gibt es auch bei Flugreisen, informiert die Deutsche Anwaltauskunft (www.anwaltauskunft.de).

Ab wann Kinder mit welchem Verkehrsmittel alleine reisen dürfen, ist rechtlich zwar kaum eingeschränkt. Zu beachten ist in diesem Zusammen allerdings § 8 des Jugendschutzgesetzes. Darin geht es um den Aufenthalt von Minderjährigen an sogenannten jugendgefährdenden Orten. Als ein solcher Ort kann auch ein Bahnhof oder ein Flughafen gelten – falls das reisende Kind nicht reif oder verantwortungsbewusst genug ist, sich dort alleine aufzuhalten.

Abgesehen davon sind der Reisefreiheit von Kindern und Jugendlichen in erster Linie von der elterlichen Fürsorgepflicht Grenzen gesetzt. „Die Erziehungsberechtigten müssen entscheiden, ob sie es ihrem Kind zutrauen, alleine mit dem Zug zu fahren oder zu fliegen“, informiert Gesine Reisert, Fachanwältin für Verkehrsrecht und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Ein selbstständiges Kind könne auch alleine innerhalb Deutschlands oder auch ins Ausland reisen.

Relevanter noch als der Aufenthalt an Bahnhöfen und Flughäfen ist das jeweilige Verkehrsmittel. Die Unternehmen haben meist klare Regeln, ab welchem Alter allein reisende Kinder mitgenommen werden. So beträgt bei den meisten großen Fluggesellschaften das Mindestalter für allein Reisende 12 Jahre. Kinder dürfen zwar schon ab fünf Jahren alleine einen Flug antreten, brauchen dann aber eine Betreuung an Bord. Mit der Bahn dürfen Kinder ab sechs Jahren alleine reisen.

Bei Bedarf können die Eltern für Kinder zwischen sechs und 15 Jahren eine Betreuung dazu buchen. Fernbusunternehmen sind bisweilen strenger. Einzelne Anbieter nehmen allein reisende Kinder erst ab zehn Jahren mit. Selbst dann fordern sie eine Erlaubnis der Eltern, solange die Kinder nicht älter als 15 Jahre sind.

Die Anwaltauskunft rät Eltern, ihren allein reisenden Kindern eine schriftliche Erlaubnis mit einer Notfalltelefonnummer mitzugeben. Auf dem Zettel sollten auch Zieladresse und Route, gegebenenfalls mit Umsteigebahnhöfen, angegeben sein. Das sei auch ratsam, wenn kleine Kinder mit älteren, aber dennoch minderjährigen Geschwistern, Cousins oder Cousinen unterwegs sind.

Es ist gegebenenfalls auch empfehlenswert, Mitreisende – zum Beispiel Sitznachbarn im Zug – anzusprechen und sie zu bitten, auf das Kind zu achten. Dann kann sich der kleine Reisende auch an diese wenden, falls er oder sie Fragen hat.

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PM 37/15: Gutachten im Familienrecht: Auf die Qualität kommt es an

Berlin (DAV). Die Vertreter juristischer, psychologischer und medizinischer Fachverbände, der Bundesrechtsanwalts- und der Bundespsychotherapeutenkammer haben sich heute auf „Mindestanforderungen an Gutachten im Kindschaftsrecht“ geeinigt.

Einige umstrittene Urteile und Studien hatten die Diskussion um die Qualität forensischer Gutachten in den Fokus der medialen und politischen Öffentlichkeit gerückt. Im Koalitionsvertrag vereinbarten die Regierungsparteien „in Zusammenarbeit mit den Berufsverbänden die Qualität von Gutachten, insbesondere im familiengerichtlichen Bereich verbessern“ zu wollen.

Unter Begleitung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) erarbeiteten die Experten in den vergangenen Monaten fachübergreifende Qualitätsstandards für Gutachten im Familienrecht. Die drei wesentlichen Aspekte, an denen sich ein Gutachten messen lassen muss, sind Transparenz, Nachvollziehbarkeit und wissenschaftlich fundiertes Vorgehen.

Sachverständige müssen in ihren Gutachten für alle nachvollziehbar darstellen, wie lange sie mit welchen Beteiligten gesprochen haben, welche Untersuchungsmethoden eingesetzt wurden und auf welchen unterschiedlichen Quellen ihre Empfehlungen beruhen.

Die Mindestanforderungen sollen in der Gutachtenerstellung Standard werden. Sie sind ein erster, wichtiger Schritt bei der Qualitätssicherung. Darüber hinaus werde allerdings eine verbesserte und spezifische Aus-, Fort- und Weiterbildung von Sachverständigen, Rechtsanwälten und Richtern notwendig sein, so die Experten.

Beteiligte Fachverbände und Kammern sind: Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP), Bundesarbeitsgemeinschaft Leitender Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BAG KJPP), Berufsverband für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (BKJPP), Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK), Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), Deutscher Anwaltverein (DAV), Der Deutsche Familiengerichtstag (DFGT), Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP), Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Deutscher Juristinnenbund (djb), Deutscher Richterbund (DRB), Fachverband Systemisch-Lösungsorientierter Sachverständiger im Familienrecht (FSLS), Neue Richtervereinigung (NRV).

In Kürze werden die Mindestanforderungen für Gutachten im Kindschaftsrecht online abrufbar sein u. a. unter: http://familienanwaelte-dav.de/arbeitshilfen.

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VerkR 35/15: Kirmesbetrieb haftet bei Sturz über ungesicherte Versorgungsleitung

Hamm/Berlin (DAV). Oberirdische Versorgungsleitungen für Kirmesbetriebe müssen so verlegt werden, dass möglichst kein Stolper- und Sturzrisiko für Kirmesbesucher und Anlieger entsteht. Stürzt jemand über eine unzureichend gesicherte Leitung, haftet der Kirmesbetrieb. Es liegt dann eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor. Das hat das Oberlandesgerichts Hamm am 24. März 2015 (AZ: 9 U 114/14) entschieden, wie die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt.

Eine Frau stürzte im September 2009 während einer jährlich stattfindenden Kirmes auf dem Bürgersteig vor ihrem Wohnhaus. Dort hatte ein Kirmesbetrieb die Kabelversorgungsleitungen für sein Fahrgeschäft verlegt. Die lose verlegten Kabel waren nicht abgedeckt worden. Die Frau brach sich einen Oberschenkelhals und einen Arm. Sie musste operiert und stationär behandelt werden. Von dem Kirmesbetrieb verlangte sie Schadensersatz.

Das Gericht sprach ihr Schadensersatz von 50 Prozent zu. Dabei berücksichtigte es ein Mitverschulden. Der Betrieb hafte auf Schadensersatz, weil er seine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Während einer Kirmes müssten Stände und mobile Unterkünfte der Schausteller über oberirdisch verlegte Leitungen versorgt werden. Dabei lasse sich kaum vermeiden, dass diese über Gehwege verliefen. Daher müssten sie sorgfältig verlegt oder abgedeckt werden. Ohne erkennbare Streckenführung lose und ohne Abdeckung verlegte Leitungen erhöhten das Stolper- und Sturzrisiko.

Die Frau trage allerdings ein 50-prozentiges Mitverschulden, weil die Kabel bereits seit einigen Tagen vor ihrem Grundstück gelegen hätten und ihr der unzureichende Verlegungszustand bekannt gewesen sei.

Informationen: www.verkehrsrecht.de

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