Die aktuellen EU-Informationen des DAV, heute u.a. mit den Themen: EuGH zur Beglaubigung durch Notare, Konsultation zum Whistleblowerschutz, Arbeitszeitrichtlinie, Fahrplan zu supranationalen Geldwäscherisiken, EuGH zu humanitären Visa.
Hannover/Berlin (DAV). Wird in einer Betriebsvereinbarung die Auswahl von Interessierten für ein freiwilliges Abfindungsprogramm vereinbart, ist für die Änderung dieser Vereinbarung die Schriftform erforderlich. Betroffene können bei einem fehlerhaft durchgeführten Programm möglicherweise Anspruch auf Teilnahme an dem Programm haben. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hannover vom 27. Juni 2016 (AZ: 11 Sa 1019/15), wie die Deutsche Anwaltauskunft mitteilt.
Der Konzernbetriebsrat und der Arbeitsgeber schlossen im Rahmen einer Sanierung eine Betriebsvereinbarung über ein sogenanntes offenes Abfindungsprogramm ab. Es stellte den Abschluss von lukrativen Aufhebungsverträgen in Aussicht, wobei es allerdings auf eine bestimmte Anzahl begrenzt war. Die Auswahl sollte anhand des Eingangs der Anträge erfolgen. In der Betriebsvereinbarung war festgelegt, dass sich die interessierten Arbeitnehmer per E-Mail bei einer externen Stelle melden sollten. Da es dort zu technischen Problemen kam, schlug der Arbeitgeber daraufhin ein geändertes Verfahren vor. Danach sollte eine Anmeldung auf einer eigens dafür programmierten Homepage erfolgen. Der Konzernbetriebsratsvorsitzende übermittelte seine Zustimmung dazu lediglich per E-Mail.
Bei der Durchführung dieses geänderten Verfahrens traten erneut technische Schwierigkeiten auf. Nach erfolglosen Zugriffsversuchen brach der spätere Kläger seine Versuche ab, an dem Verfahren teilzunehmen. Er hatte sich auch nicht an dem ursprünglich vorgesehenen Weg per E-Mail beteiligt.
Der Mann klagte auf Abschluss des lukrativen Aufhebungsvertrags. Er blieb in zwei Instanzen erfolglos. Er habe zu keinem Zeitpunkt eine Anmeldung auf der vorgesehenen Homepage durchgeführt, sondern nach erfolglosen Versuchen vollständig abgebrochen. Daher könne er nicht verlangen, so behandelt zu werden, als sei seine Anmeldung rechtzeitig auf der Homepage eingegangen.
Nach Auffassung des Gerichts lag aber eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers vor. Er habe bei der Änderung der Betriebsvereinbarung nicht dem Schriftformerfordernis entsprochen. Auch Änderungen von Betriebsvereinbarungen müssten beide Seiten schriftlich bestätigen. Lediglich eine E-Mail vom Vorsitzenden des Konzernbetriebsrats reiche nicht aus.
Grundsätzlich könnten dadurch Schadensersatzansprüche entstehen, da die Durchführung des Auswahlverfahrens nicht wie ursprünglich in der Betriebsvereinbarung vorgesehen erfolgte. Dies wirke sich hier aber nicht negativ aus. Es habe von Anfang an festgestanden, dass nur eine kleine Anzahl der sich anmeldenden Arbeitnehmer in den Genuss eines solchen Aufhebungsvertrags kommen würden. Es sei schon nicht klar, dass der Kläger auch bei einer Durchführung mit den ursprünglich festgelegten Modalitäten zum Zuge gekommen wäre. Daher scheide ein Anspruch aus.
Berlin/Mytilini (DAV). Der Deutsche Anwaltverein (DAV) appelliert an die Bunderegierung und die Europäische Kommission, die Rechtsberatung verstärkt in den Fokus der humanitären Hilfe zu nehmen. „Ziel muss es sein, individuelle Rechtsberatung als Standardmaßnahme der humanitären Hilfe zu etablieren“, sagte Rechtsanwalt Prof. Dr. Wolfgang Ewer, Mitglied des DAV-Präsidiums, am Freitag bei einem Besuch des Registrierungs- und Erstaufnahmelagers Moria auf der griechischen Insel Lesbos.
„Ein völker- oder europarechtlicher Anspruch auf individuelle und unabhängige rechtliche Beratung in humanitären Krisensituationen besteht für die Betroffenen derzeit nicht“, sagte Ewer. Zwar garantierten einige wenige Normen des internationalen Rechts den Zugang zum Recht. „Insgesamt besteht jedoch ein juristischer Flickenteppich“, so Ewer.
Dabei ist es nach Ansicht des DAV entscheidend, das die Rechtsberatung von Anwältinnen und Anwälten geleistet wird. „Qualifizierte und unabhängige Rechtsberatung ist der wichtigste Schlüssel, wenn es darum geht, den Zugang zum Recht zu gewährleisten“, so Ewer. Eine professionelle Beratung sei daher unabdingbar.
Rechtliche Beratung ist für die Zukunft der Notleidenden entscheidend
„Bei Naturkatastrophen, militärischen Auseinandersetzungen oder Flucht sind die medizinische Erstversorgung oder die Unterbringung der Betroffenen als Teil der humanitären Hilfe anerkannt“, so Ewer. Die Rechtsberatung spiele in derartigen Ausnahmesituationen hingegen faktisch keine Rolle. Dabei sei die professionelle Aufklärung über den rechtlichen Status für die Zukunft der Betroffenen oft entscheidend. Dies zeige das Beispiel der anwaltlichen Beratung von Flüchtlingen.
Gemeinsam mit dem Rat der Europäischen Anwaltschaften (CCBE) hat der DAV im vergangenen Jahr im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos mit dem Projekt „European Lawyers in Lesvos“ eine juristische Erstberatung für Flüchtlinge initiiert. Seit Juli des vergangenen Jahres haben dort freiwillige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus ganz Europa Flüchtlinge individuell beraten.
Themen u. a.: Kleine BRAO-Reform: Beim fünften Anlauf hat es geklappt, Honorarumsätze: Starke Spreizung in der Anwaltschaft, Deutscher Anwaltstag 2017: Neuer BDI-Präsident wird Impulse geben, Fahrverbot als Nebenstrafe weiter in der Diskussion
Das Wirtschaftsministerium plant die Schaffung eine Wettbewerbsregisters. Der DAV sieht das positiv, formuliert aber Verbesserungsvorschläge für die Handhabung.
Dortmund/Berlin (DAV). Beabsichtigen zwei Zahnärzte auf Basis eines Vertrags über eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis gleichberechtigt zusammenzuarbeiten, wollen beide Ärzte in der Regel auch selbständig tätig sein. Je nach Ausgestaltung des Vertrags kann sich aber trotzdem daraus ergeben, dass ein Arzt der Sozialversicherungspflicht unterliegt. Auf eine entsprechende Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23. November 2016 (AZ: L 5 R 1176/15) weist die Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.
Der Zahnarzt praktizierte gemeinsam mit einer Kollegin in einer Praxis. Die beiden Ärzte hatten hierfür eine Gemeinschaft bürgerlichen Rechtes gegründet und einen „Gesellschaftsvertrag“ abgeschlossen. Dieser legte unter anderem fest, dass die Ärztin 30 Prozent ihrer Honorare erhielt. Den übrigen Überschuss aus den Einnahmen erhielt ihr Partner, nachdem er von diesen Einnahmen sämtliche Praxisausgaben beglichen hatte. Dazu gehörten unter anderem die Miete, der Unterhalt der Praxis – die Praxiseinrichtung gehörte allein dem Zahnarzt – und die Personalkosten. Die beiden Vertragspartner legten fest, dass sie gleichberechtigt und einander nicht weisungsbefugt seien.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung forderte der zuständige Sozialversicherungsträger den Arzt dennoch auf, für die Ärztin rückwirkend Sozialabgaben von über 13.000 Euro zu zahlen, da sie abhängig beschäftigt sei.
Die Klage des Arztes blieb erfolglos. Das Gericht sah ebenfalls ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis und nannte hierfür mehrere Kriterien. So trage die Zahnärztin kein wirtschaftliches Risiko und sei auch nicht am wirtschaftlichen Erfolg der Praxis beteiligt. Hinsichtlich der Sprechzeiten und der Urlaubsplanung müsse sie sich mit dem Zahnarzt und dem übrigen Praxispersonal absprechen. Erkranke sie länger als sechs Wochen, habe ihr Kollege die Befugnis, zu Lasten ihres Gewinnanteils einen Vertreter einzustellen. Umgekehrt gelte diese Regelung jedoch nicht.
Die Richter wiesen auch darauf hin, dass es typisch sei für „höhere Dienste“, dass die Ärztin keine (Fach-) Weisungen erhalte. Die Freiheit des selbstständigen Unternehmers zeige sich darin jedoch nicht.
Mainz/Berlin (DAV). Unabhängig davon, ob jemand grundsätzlich Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) hat, muss er es beantragen. Versäumt man den Antrag, hat man keine Möglichkeit, den Anspruch rückwirkend geltend zu machen. Gezahlt wird immer erst ab Antrag, so das Sozialgericht in Mainz am 1. Dezember 2016 (AZ: S 10 AS 816/15). Daher rät die Deutsche Anwaltauskunft, unbedingt daran zu denken, den Antrag zu stellen. Laufe ein Bewilligungszeitraum aus, müsse rechtzeitig der weitere Bezug beantragt werden.
Der Kläger erhält seit 2013 Arbeitslosengeld II („Hartz IV“) vom Jobcenter. Die Leistungen werden jeweils für einen bestimmten Zeitraum bewilligt. Vor Ablauf des Bewilligungszeitraums schickt das Jobcenter dem Mann ein neues Antragsformular. Es weist dabei auf die Notwendigkeit des Antrags hin. Auch als die Leistungen Ende Dezember 2014 ausliefen, schickte das Jobcenter dem Mann im Vorfeld Anfang November erneut ein Antragsformular zu.
Der Mann reagierte jedoch nicht. Er war zwischenzeitlich seelisch erkrankt und mit einiger Wahrscheinlichkeit zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern. Erst im Juni 2015 wandte er sich mit einer Betreuerin an das Jobcenter und erhielt ab Juni wieder Leistungen zugesprochen. Er wollte aber ebenso für den zurückliegenden Zeitraum die Zahlungen erhalten. Das Jobcenter lehnte jedoch eine rückwirkende Leistung für Januar bis Mai 2015 ab. Das Gesetz bestimme eindeutig, dass für Zeiten vor Antragstellung keine Leistungen gewährt würden. Der Mann klagte gegen diese Entscheidung. Er sei aufgrund seiner Krankheit unverschuldet daran gehindert gewesen, den Antrag zu stellen.
Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Nach Auffassung des Sozialgerichts sei höchstrichterlich geklärt, dass eine „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ in einem solchen Fall nicht greife. Dies sei nur bei unverschuldetem Versäumen gesetzlicher Fristen möglich. Nicht jedoch – wie vorliegend – bei einem fehlenden Antrag. Eine frühere Antragstellung könne auch nicht anderweitig konstruiert werden. Es liege eben keine Pflichtverletzung des Jobcenters vor. Das Jobcenter sei seiner Pflicht nachgekommen und habe den Mann vor Ablauf des Bewilligungszeitraums auf die Notwendigkeit eines neuen Antrages hingewiesen.
Weitere Verpflichtungen, wie etwa persönlich bei dem Mann vorbeizuschauen oder auf Verdacht den Sozialdienst einzuschalten, bestünden nicht. Das Jobcenter habe auch keinerlei Anhaltspunkte für die Probleme des Klägers gehabt, da in der Vergangenheit die Antragstellung funktioniert habe.