Asylrechtskundige Beratung
Asylrechtskundiger Beratungsdienst am Flughafen Rhein-Main
Im Dezember 1992 hat der Deutsche Bundestag umfangreiche verfassungs- und einfachgesetzliche Asylrechtsänderungen vorgenommen. Diesem „Asylkompromiss” begegnete zahlreiche Kritik, wurde jedoch weitgehend mit drei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 14.05.1996 legitimiert. Der neu geschaffene § 18a AsylVerfG (heute § 18 a AsylG), der das Asylverfahren für Flüchtlinge bei der Einreise auf dem Luftwege in sechs Absätzen regelt, erfuhr durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (2 BvR 1516/93) eine ergänzende Korrektur dahingehend, dass „der nicht anwaltlich vertretene Antragsteller …. durch organisatorische Maßnahmen Gelegenheit erhalten …. muss – soweit erforderlich unter Einsatz eines Sprachmittlers – kostenlos asylrechtskundige Beratung in Anspruch zu nehmen, um die Erfolgsaussichten einer etwaigen Beschreitung des Rechtsweges beurteilen zu können. Diese Beratung kann durch jede dafür geeignete, von den Entscheidungsträgern unabhängige, im Flughafenbereich verfügbare und in Asylrechtsfragen kundige Person oder Stelle erfolgen. Es ist Sache des Gesetzgebers und der mit der Durchführung des Asylverfahrensgesetzes betrauten Behörden zu entscheiden, auf welchem Wege – insbesondere durch welche dafür geeignete Person oder Stellen – diese Beratung erfolgen soll. Die Beratung kann auch Hilfe bei der Formulierung des beim Gericht zu stellenden Antrags und seiner Begründung und bei der Gewinnung eines zur Vertretung bereiten Rechtsanwalts umfassen”.
Um diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben gerecht zu werden, hat das Bundesinnenministerium mit dem Frankfurter Anwaltsverein am 18.05.1998 einen Vertrag geschlossen, wonach letzterer die asylrechtskundige unabhängige und kostenlose Beratung organisiert. Derzeit sind 36 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte an diesem Beratungsdienst beteiligt. Für diesen Dienst werden die Kolleginnen und Kollegen im geringen Umfang vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge je nach Aufwand vergütet.
Die Beratung findet 365 Tage im Jahr statt. Die Geschäftsstelle des Frankfurter Anwaltsvereins teilt die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die dann auf Abruf die Rechtsberatung am Frankfurter Flughafen leisten maximal sechsmal im Halbjahr ein. Die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte besuchen dann, wenn Beratungsbedarf am Flughafen besteht, die asylsuchende Person. Nach einem persönlichen Gespräch wird entschieden, ob Rechtsmittel in Form von Klage und Eilantrag beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main gegen die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eingelegt werden sollte. Das zuständige Verwaltungsgericht muss dann gemäß § 18 Abs. 6 Ziffer 3 AsylG innerhalb von 14 Tagen über diesen Eilantrag entscheiden, anderenfalls dem Geflüchteten die Einreise gestatten.
Die Zahl der Ablehnungen der Asylanträge als „offensichtlich unbegründet“ ist am Frankfurter Flughafen in den letzten Jahren stark gestiegen. Bis zum Jahr 2015 lag die Ablehnungsqoute bei unter 10 %, erhöhte sich sodann stetig bis ins Jahr 2020 auf 46,2 % und
sank sodann im Jahr 2022 auf 36,1 %.
Die Zahl der am Flughafen als „offensichtlich unbegründet“ abgelehnten Asylanträge ist deutlich höher als die Quote im Inland, wo im Jahr 2020 lediglich 3,7 % der Asylanträge als
„offensichtlich unbegründet“ abgelehnt wurden.
Trotz des deutlich erschwerten Zugangs Geflüchteter zu anwaltlicher Beratung im Flughafenverfahren gewährleisten die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte des Notdienstes immer wieder – und entgegen der mutmaßlichen gesetzlichen Konzeption – effektiven Rechtsschutz für Menschen, die ihrer Heimat in großer persönlicher Not entfliehen mussten.
Im Jahr 2022 wurden gegen die ablehnenden Entscheidungen 88 Eilanträge erhoben, von denen sechs Anträgen stattgegeben wurde.