Pressemitteilungen des DAV

DAV: Menschenrechtsschutz nicht privatisieren

Berlin (DAV). Anlässlich der morgigen Abschlusskonferenz zum Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte sieht der Deutsche Anwaltverein (DAV) die Gefahr einer Erosion rechtsstaatlicher Gewährleistungen und einer "Privatisierung" des Menschenrechtsschutzes. Der DAV fordert eine Beteiligung der Anwaltschaft im weiteren Verfahren. Klärungsbedarf sieht der DAV bei der Frage, was die „Respektierung der Menschenrechte“ konkret bedeuten soll.

Der DAV setzt sich in vielen Bereichen für die Wahrung von Grund- und Menschenrechten ein und begrüßt daher Initiativen, die dafür Sorge tragen, dass wirtschaftliche Aktivitäten die Menschenrechte in Deutschland und weltweit nicht verletzen. Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte wirft jedoch grundsätzliche rechtliche Fragen auf, die einer Diskussion bedürfen.

Der Nationale Aktionsplan wird durch drei "Interessengruppen" vorbereitet und ausgehandelt, die Ministerien, die NGOs und die Industrie. Der Prozess wird moderiert durch das Auswärtige Amt. Er erhebt den Anspruch, "inklusiv" zu sein, d.h. alle Betroffenen zu beteiligen. Seine Festlegungen sollen für alle "Unternehmen" gelten. Dazu gehören auch die freien Berufe, insbesondere die Anwaltschaft, die aber nicht beteiligt wurden. Weder NGOs noch Industrie sind demokratisch legitimiert, menschenrechtliche Agenden, gleichberechtigt neben Ministerien, "auszuhandeln", insbesondere mit Wirkung für nicht beteiligte Dritte wie die Anwaltschaft.

Im Rahmen eines National Baseline Assessment sollte überprüft werden, ob das deutsche Recht menschenrechtlichen Vorgaben genügt, und wo Handlungsbedarf besteht. "Die Menschenrechte sind jedoch“, worauf Rechtsanwältin Dr. Birgit Spießhofer, Vorsitzende des Ausschusses Corporate Social Responsibility und Compliance im DAV, hinweist, „kein "Rezeptbuch", aus dem sich Vorgaben ohne weiteres ablesen ließen. Vielmehr sind die Festlegungen der UN-Menschenrechtskonventionen, der Europäischen Menschenrechtskonvention, der EU-Grundrechtecharta und des Grundgesetzes mitnichten kohärent. Dementsprechend kommen auch Bundesverfassungsgericht, Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte und Europäischer Gerichtshof immer wieder im gleichen Fall zu verschiedenen Einschätzungen“.

Die UN-Leitsätze für Wirtschaft und Menschenrechte haben nicht geklärt, was "die Respektierung der Menschenrechte" konkret bedeuten soll. Auch der Nationale Aktionsplan setzt sich damit nicht auseinander. Der deutsche Gesetzgeber hat menschenrechtliche Gewährleistungen in vielfältiger Weise bspw. im Arbeits-, Jugend- und Mutterschutz umgesetzt. Wenn nun Unternehmen und NGOs unter Rückgriff auf "die Menschenrechte" eigene Standards entwickeln, stellt sich nicht nur die Frage demokratischer Legitimation. Vielmehr besteht auch die Gefahr einer Parallelrechtsordnung, die auf Kosten der Rechtssicherheit gehen kann.

Im Rahmen des eintägigen DAV-Forums „Corporate Social Responsibility und Compliance“ am 3. Dezember 2015 in Berlin geht der DAV diesen und anderen Fragen zur sozialen Verantwortung der Wirtschaft und der Anwaltschaft nach. Details abrufbar unter www.anwaltverein.de/csr.

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Nr. 59/15: Arbeitnehmer können ein Recht auf Weihnachtsgeld haben

Berlin (DAV). Selbst dann, wenn die Zahlung von Weihnachtsgeld nicht im Rahmen eines Arbeits- oder Tarifvertrags festgeschrieben ist, haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Umständen Anspruch auf die Auszahlung einer Extrabonifikation kurz vor dem Fest – wenn Arbeitgeber dieses Geld auch in den Jahren zuvor ausgezahlt haben.

Diesen Umstand bezeichnet man als betriebliche Übung. „Wenn ein Arbeitgeber in drei aufeinanderfolgenden Jahren vorbehaltlos Weihnachtsgeld gezahlt hat, haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf das Geld auch im vierten Jahr“, erklärt Rechtsanwalt Swen Walentowski, Sprecher der Deutschen Anwaltauskunft. Diese Ansicht habe sich inzwischen bei den Gerichten durchgesetzt.

Vorbehaltlos meint hier, dass der Arbeitgeber das Geld nicht als einmalige Leistung bezeichnet oder vergleichbare Formulierungen genutzt hat.

„Entscheidend ist, dass durch die Zahlungen in den Vorjahren dem Arbeitnehmer der Eindruck vermittelt worden ist, dass er auch in Zukunft mit dem zusätzlichen Geld rechnen kann“, so Swen Walentowski. Wenn die Zahlungen in den Vorjahren beispielsweise variierten, greift die betriebliche Übung unter Umständen nicht.

Ein Gesetz zur betrieblichen Übung, auf das sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer berufen können, gibt es allerdings nicht. Gleichwohl kann dieser Umstand mitunter auch in anderen Arbeitsbereichen relevant werden. Jenseits von Urlaubsgeldregelungen sind hier häufig Regelungen zu Krankmeldungen und dem Umfang von Pausen betroffen.

Lesen Sie hier weitere Informationen zum Thema.

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FamR 13/15: Unterhaltsbegrenzung, Versorgungsausgleich und Ehe für alle

Berlin/Weimar (DAV). Mit einer Debatte über "Unterhaltsbegrenzung" endete am Wochenende die Herbsttagung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV. Hans-Joachim Dose, Vorsitzender Richter des Familiensenats am Bundesgerichtshof, erläuterte die höchstrichterliche Rechtsprechung zu der Frage, wie viel und wie lange Unterhalt nach Trennung und Scheidung zu zahlen ist. Neben dem Ehegattenunterhalt ging es auch um den Betreuungsunterhalt für Mütter, die nicht verheiratet sind. Wenn zum Beispiel eine Studentin Mutter wird, deswegen ihr Studium abbricht und als Verkäuferin arbeitet, soll sie so gestellt werden, als wenn sie ihr Studium abgeschlossen und einen akademischen Beruf ergriffen hätte. Wie der Unterhaltsbedarf ermittelt wird, hängt von den Lebensverhältnissen ab, wie sie sich ohne die Geburt des Kindes entwickelt hätten.

Versorgungsausgleich, Elternunterhalt, Kindschaftsrecht - in zahlreichen weiteren Veranstaltungen standen familienrechtliche Themen auf der Tagesordnung, mit denen die Anwälte sich im Alltag befassen. Aber sie stellten sich auch den Herausforderungen, die neueste gesellschaftliche Veränderungen im Familienrecht mit sich bringen. So gewinnt das Ausländerrecht auch für Familienanwälte wegen der zunehmenden Flüchtlingszahlen immer mehr an Bedeutung.

Außerdem nimmt das Abstammungsrecht immer mehr Raum ein. "Leihmutterschaft, Eizellen- und Samenspende - für die Familienanwälte stellen sich in Zeiten der Reproduktionstechnologie zahlreiche neue Probleme", erklärte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht, Rechtsanwältin Eva Becker. "Welche Rechte und Pflichten entstehen für die biologischen, rechtlichen, sozialen oder nur genetischen Eltern? Vor allem Regelungen zur elterlichen Sorge, dem Kontakt und nicht zuletzt der unterhaltsrechtlichen Verantwortung müssen aktualisiert werden."

Ehe für alle? Mit einer Diskussionsrunde über aktuelle Entwicklungen in Deutschland und Europa hatte die Tagung der Familienanwälte begonnen. Ein Thema, das kontrovers diskutiert wurde. In 21 Staaten ist die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare zwar längst Realität. Dennoch wurden Bedenken geäußert, die Ehe allen Paaren zu öffnen. In Deutschland ist es für Homosexuelle bislang nur möglich, eine Lebenspartnerschaft einzugehen.

Auf den jährlichen Herbsttagungen haben die Familienanwältinnen und -anwälte Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch und zur Fortbildung. Wie immer waren namhafte Richter und Richterinnen der oberen Gerichte und Universitätsprofessoren als Referenten der Einladung der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht gefolgt, so dass Praxis und Wissenschaft gleichermaßen vertreten waren. An der Tagung nahmen mehr als 400 Anwältinnen und Anwälte teil.

In der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im DAV sind bundesweit knapp 7.000 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte organisiert. Sie ist damit die größte Vereinigung von auf Familienrecht spezialisierten Anwältinnen und Anwälten.

Information: www.dav-familienrecht.de

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FamR 12/15: Keine Erwerbsobliegenheit während Elterngeldbezugs

Nürnberg/Berlin (DAV). Wer Elterngeld bezieht, muss nicht arbeiten gehen, um die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem weiteren Kind zu erfüllen.

Liegt eine Erwerbsobliegenheit – also die Verpflichtung, erwerbstätig zu sein – allerdings vor, gilt sie auch dann, wenn das jüngere Kind noch nicht das dritte Lebensjahr erreicht hat. Die Arbeitsgemeinschaft Familienrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) informiert über eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 25. September 2014 (AZ: 10 UF 429/14).

Die Eltern des 2008 geborenen Kindes sind geschieden. Der Junge lebt im Haushalt des Vaters. Die Mutter hat ein weiteres, 2012 geborenes Kind. Bis September 2013 bezog sie Elterngeld. Der Vater, ein Arzt, verlangte Unterhalt von der Mutter.

Der Vater kann Kindesunterhalt ab Oktober 2013 verlangen, entschied das Gericht. Während des Bezugs von Elterngeld bestehe für denjenigen, der Unterhalt zahlen muss, keine Erwerbsobliegenheit. Danach aber schon. Dann würde ihm ein fiktives Einkommen zugerechnet. Der Umstand, dass ein weiteres Kind noch nicht drei Jahre alt sei, ändere daran nichts. Die Verpflichtung zu arbeiten, bestehe gegenüber dem minderjährigen Kind aus einer früheren Beziehung dennoch. Bei der Mutter, einer gelernten Krankenschwester, legten die Richter für die Berechnung des Unterhalts das Halbtageseinkommen einer Krankenschwester zugrunde.

Information: www.dav-familienrecht.de

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Europa im Überblick - DAV

Europa im Überblick, 39/15

Die aktuellen EU-Informationen des DAV, heute u.a. mit den Themen: Bekämpfung von Radikalisierung und Terrorismus; TAXE- Sonderausschuss; Dialog über Rechtsstaatlichkeit.

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IT 11/15: Online-Händler: Als Einzelhändler kein Outlet

Stuttgart/Berlin (DAV). Bewirbt ein Einzelhändler sein Angebot im Internet als „Outlet“, so ist dies irreführende Werbung. Die meisten Verbraucher verstehen dies als einen Fabrikverkauf des Herstellers der angebotenen Ware. Sie erwarten daher einen Preisvorteil, den sie beim Kauf im Einzelhandel nicht hätten. Über eine entsprechende Entscheidung des Landgerichts Stuttgart vom 31. März 2015 (AZ: 43 O 1/15 KfH) informiert die Arbeitsgemeinschaft IT-Recht im Deutschen Anwaltverein (DAV).

Das Einzelhandelsunternehmen betrieb im Internet einen Shoppingclub. In der Rubrik „Outlet“ bot es dort unter anderem Kleidung, Schuhe und Parfums an. Unter anderem schrieb der Betreiber über seinen Outlet-Shop: „Ähnlich wie bei einem Lagerverkauf oder Fabrikverkauf findet ihr in unserem Outlet jede Menge Restposten-Marken, End-of-Season Ware und Sonderkollektionen bekannter Marken zu unglaublich günstigen Preisen. Rabatte bis zu -80% gegenüber der UVP der Hersteller sind möglich...“

Dagegen klagte ein Unternehmen auf Unterlassung. Es stellt selbst Markenparfums und Nagellack her und vertreibt diese Artikel unter einer exklusiven Lizenz der jeweiligen Markeninhaber. Die Produkte auch dieser Hersteller bot der Shoppingclub an.

Das Unternehmen argumentierte, ein durchschnittlicher Verbraucher verstehe die Bezeichnung „Outlet“ als einen Lager- oder Fabrikverkauf. Dies sei bei dem Outlet des Online-Händlers nicht der Fall. Es handle sich um ein normales Einzelhandelsangebot und klassische Einzelhandelsware. Die Werbung sei daher irreführend.

Das sah das Gericht genauso. Die mit der Werbung angesprochenen Verbraucher hätten die Vorstellung, in einem Outlet unmittelbar beim Hersteller Waren zu erwerben, die ansonsten im Groß- und Einzelhandel vertrieben würden. Sie erwarteten, dort die Ware günstiger zu bekommen als im Einzelhandel, weil die üblichen Handelsspannen entfielen. Vor diesem Hintergrund müsse ein Geschäft, das sich als Outlet bezeichne, selbst produzierte Waren verkaufen. Außerdem müssten die Preise unter denen des Einzelhandels liegen.

Das Angebot des Shopping-Clubs sei also irreführend. Durch die Verwendung des Begriffs Outlet könne der Betreiber so Kundenströme von Mitbewerbern umlenken. Mindestens aber könne er erreichen, dass sich Verbraucher mit dem Angebot näher befassten. Die Fehlvorstellung der Verbraucher könne die Interessen des Mitbewerbers spürbar beeinträchtigen.

Informationen: www.davit.de

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Zum geplanten Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren: Neues Asylrecht darf keine rechtsfreien Räume schaffen

Berlin (DAV/PRO ASYL). In Umsetzung des Beschlusses der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD vom 5. November 2015 befindet sich derzeit ein Gesetzentwurf zur Einführung beschleunigter Asylverfahren im Abstimmungsprozess innerhalb der Großen Koalition.

Die geplanten Schnellverfahren in besonderen Aufnahmeeinrichtungen stoßen beim Deutschen Anwaltverein (DAV) und PRO ASYL auf grundsätzliche Bedenken. Beide Organisationen warnen ausdrücklich davor, die Rechtswegegarantie des Grundgesetzes aushebeln zu wollen. Anstatt der ursprünglich geforderten Transitzonen sollen nun Asylverfahren in „besonderen Aufnahmeeinrichtungen“ eingeführt werden, bei denen extrem kurze Fristen gelten und Schutz vor Abschiebung während des Klageverfahrens nur noch bei erfolgreichen Eilverfahren gewährt wird. Die Neuerungen betreffen letztlich alle Flüchtlinge, auch diejenigen, die aus guten Gründen geflohen sind und deshalb eine hohe Anerkennungsquote genießen. Beide Organisationen kritisieren auch die vorgesehenen Regelungen zur „Gesundheitsfiktion“ und hinsichtlich des Verwehrens der Familienzusammenführung. Die Wiedereinführung von Einzelfallprüfungen würde auch zu längeren Verfahren führen.

„Ein faires Asylverfahren, die Korrektur von Fehlentscheidungen durch die Arbeit von Rechtsanwälten und Gerichten wird de facto kaum noch möglich sein“, kritisiert Rechtsanwalt Tim Kliebe vom Deutschen Anwaltverein. Im Unterschied zum Flughafenverfahren sei in den besonderen Aufnahmezentren keine kostenlose Rechtsberatung vorgesehen. Zudem sei darauf hinzuweisen, dass wegen des jüngst eingeführten Sachleistungsprinzips die Asylsuchenden gar nicht über die finanziellen Mittel verfügen, einen Rechtsanwalt zu beauftragen. „Mit der verfassungsrechtlichen Garantie des effektiven Rechtsschutzes ist dies nicht zu vereinbaren“, kritisiert Rechtsanwalt Tim Kliebe. PRO ASYL-Geschäftsführer Günter Burkhardt verglich die Schnellverfahren in besonderen Einrichtungen mit „Schleusen, die nach politischen Vorgaben den Zugang zu einem regulären Asylverfahren steuern“. Nach dem Gesetzentwurf soll bereits ausreichen, „Identitäts- oder Reisedokumente […] mutwillig vernichtet oder beseitigt [zu haben], oder dass Umstände vorliegen, die diese Annahme rechtfertigen. „Diese Voraussetzung ist zu weit gefasst, da eine Vielzahl der Flüchtlinge gezwungen ist, ohne Reisedokumente zu fliehen“, warnt Burkhardt. PRO ASYL sieht die Gefahr, dass „beschleunigte Asylverfahren“ zum Standardverfahren werden. Damit könne der Staat nach Belieben das Recht auf ein faires Asylverfahren, in dem die Fluchtgründe geprüft werden, aushebeln.

Verfassungsrechtlich auf wackeligen Füßen steht aus Sicht des DAV und PRO ASYL die geplante Aussetzung des Familiennachzugs zu subsidiär Geschützten für zwei Jahre. Denn die Betroffenen können die verfassungsrechtlich geschützte Familieneinheit nicht im Verfolgerstaat herstellen. Eine Wartezeit von zwei Jahren hat indes keinen sachlichen Grund. Sie gefährdet vielmehr die im Herkunftsland verbliebenen Angehörigen, ebenfalls Opfer von Folter oder willkürlicher Gewalt zu werden. „Bei den Erwägungen zur geplanten Aussetzung des Familiennachzugs wird der besonderen Bedeutung des verfassungsrechtlichen Schutzes von Ehe und Familie gemäß Art. 6 GG in keiner Weise Rechnung getragen“, stellt Rechtsanwalt Kliebe fest. PRO ASYL-Geschäftsführer Burkhardt betont, dass ein Hinauszögern des Familiennachzugs die Integration verhindert. Dies sei weder im Interesse der Betroffenen noch der hiesigen Gesellschaft.

Als dritten Hauptkritikpunkt an dem Gesetzentwurf sehen die Organisationen den schlechteren Schutz vor Abschiebung bei Erkrankungen an. Dass eine Posttraumatische Belastungsstörung als nicht schwerwiegend angesehen wird, entbehrt jeder Grundlage. Dies steht auch im Widerspruch zu den Erkenntnissen der Neurologie und Psychiatrie.

Mit Blick auf die in der kommenden Woche stattfindende Innenministerkonferenz von Bund und Ländern appellieren der Deutsche Anwaltverein und PRO ASYL an die Innenminister, keine Beschlüsse zu fällen, die die Asylverfahren nochmals in die Länge ziehen. Die IMK verhandelt u.a. darüber, ob das BAMF die Schriftverfahren für syrische Flüchtlinge aufgibt und stattdessen wieder langwierige Einzelfallprüfungen einführt. Davon könnten Schätzungen von PRO ASYL zufolge bis zu 200.000 Menschen betroffen sein, die bis Ende Oktober eingereist sind. Auch die Wiedereinführung der Dublin-Verfahren für aus Syrien geflohene Menschen wird zu einem erheblichen Arbeitsaufkommen führen. Statt Asylgründe zu prüfen und die Verfahren schnell abzuschließen, prüft das BAMF eine mögliche Überstellung von Schutzsuchenden nach Ungarn oder Kroatien. Dabei ist es weder realistisch noch humanitär vertretbar, Zehntausende syrischer Flüchtlinge nach Kroatien oder Ungarn abzuschieben.

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FamR 11/15: Herbsttagung vom 26.-28. November 2015 in Weimar

Weimar/Berlin (DAV). Ehe für alle? Mit einer Diskussionsrunde über aktuelle Entwicklungen in Deutschland und Europa begann die Tagung der Familienanwälte im Deutschen Anwaltverein (DAV), die noch bis Sonnabend in Weimar stattfindet. "Wir Anwältinnen und Anwälte müssen bei allen aktuellen Themen auch den Blick über den Tellerrand wagen", erklärte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht, Rechtsanwältin Eva Becker beim Auftakt der Tagung. In 21 Staaten ist die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare längst Realität. Zuletzt wurde sie im Mai 2015 in Irland durch eine Volksabstimmung für alle Paare zugelassen und kurz darauf in den USA durch den Obersten Gerichtshof legalisiert. In Deutschland ist es für Homosexuelle bislang nur möglich, eine Lebenspartnerschaft einzugehen.

Einschneidende Veränderungen im Familienrecht sind auch auf anderen Gebieten zu erwarten. Rechtsanwältin Becker nannte hier vor allem das Abstammungsrecht, das aufgrund der Entwicklungen in der Reproduktionsmedizin viele neue Fragen aufwirft: "Kinder – und auch ihre Eltern, unabhängig davon, ob sie biologische, rechtliche, soziale oder nur genetische Eltern sind – dürfen eine sichere Rechtsgrundlage erwarten, wenn es um die zentrale Frage der Abstammung und darum geht, welche Rechte und Pflichten sich hieraus ableiten." Hier müssen vor allem Reglungen zur elterlichen Sorge, dem Kontakt und nicht zuletzt der unterhaltsrechtlichen Verantwortung aktualisiert werden.

Dauerbrenner Unterhalt - Die Dauer zu befristen und die Höhe zu begrenzen, ist auch nach der Unterhaltsrechtsreform von 2008 immer noch ein Thema, das zu viel Streit führt und immer wieder von den Familiengerichten entschieden werden muss.

In der Aktuellen Stunde am Sonnabend informiert Hans-Joachim Dose, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, über die aktuellen Entwicklungen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Das Ausländerrecht gewinnt auch für Familienanwälte wegen der zunehmenden Flüchtlingszahlen immer mehr an Bedeutung. Unter der Überschrift "Schnittstelle Ausländerrecht - Aufenthalt und familiäre Lebensgemeinschaft" stellen sich die Familienanwälte auf ihrer Tagung der neuen aktuellen Herausforderung.

Neben den wichtigen Sachthemen gibt es auch viel Geistreiches in der Stadt von Goethe und Schiller: Prof. (em.) Dr. Uwe Diederichsen spricht in seinem Eröffnungsvortrag über "Familienrecht und Literatur – Vom Lebensernst und Unterhaltungswert des Familienrechts".

In zahlreichen weiteren Veranstaltungen stehen schließlich die Fragen auf der Tagesordnung, die den familienanwaltlichen Alltag bestimmen. "Fallstricke und Fehlerquellen im Verfahrensrecht", "Elternunterhalt verhindern - Pflegeleistungen ausschöpfen" - über diese und andere Themen referieren namhafte Richterinnen und Richter der oberen Gerichte, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Anwältinnen und Anwälte.

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